Autor

Rolf

Jeitziner

KOSTPROBE

Wurm Turm Turm *Sponsoren gesucht*

von | Feb 5, 2020 | Kurzgeschichten | 0 Kommentare

Wurm Turm Turm

Der Regenwurm Sigismund gräbt seine neuen Tunnel, denn er will vor dem Einbruch der Kälte damit fertig sein. Sigismund ist neu in dieser Gegend. An der alten Stätte gab es nicht mehr viel zum Graben, sodass Sigismund sich entschlossen hatte umzuziehen.
Der Winter kommt so schnell und Sigismund will sich seiner Überwinterung sicher sein. Er arbeitet fleissig Tag und Nacht an seinem Tunnelsystem.
Doch hat Sigismund nicht damit gerechnet, dass eines Tages ein mächtiger Krach ertönt und ihn von der Arbeit abhält.

«Was ist das für ein ohrenbetäubender Lärm!», ruft der Regenwurm.

Ein Maulwurf hat seinen Ruf gehört. Auch er ist mit dem Tunnelbau beschäftigt und antwortet sofort:
«Das kommt von draussen, geh und schaue doch nach!»

Sigismund zuckt zusammen, denn er hat mächtig Glück, dass der Maulwurf ihn nicht sehen kann und satt ist. Die Regenwürmer stehen nämlich auf der Speisekarte des Maulwurfs.
Nachdem sich Sigismund vom Lärm und vom Schock erholt hat, fängt er wieder mit dem Graben an.
Doch wieder ertönt, ein ohrenbetäubender Lärm und Sigismund wird wieder unterbrochen.

«Was ist das für ein Ohrenbetäubender Lärm!», ruft der Regenwurm, doch dieses Mal etwas leiser, damit ihn der Maulwurf nicht hören kann.

In den nächsten Stunden wiederholt sich das Prozedere jede Stunde und Sigismund ist so verärgert, dass er mit dem Graben aufhört, mit einem Ruck die Erdbodendecke durchstösst und ins Freie kriecht.
«Es muss einen Grund geben, dass dieser Lärm sich wiederholt», denkt sich der Wurm und macht sich auf die Suche.
Sigismund kriecht mit wuchtigen Bewegungen vorwärts. Dabei richtet er sich in der Mitte seines Wurmkörpers auf und streckt sich dann, um vorwärts zu kommen.
Da ertönt aufs Neue der ohrenbetäubende Lärm. Sigismund hält sich die Ohren zu und ruft:

«Was ist das für ein ohrenbetäubender Lärm?»

«Wenn es erlaubt ist, Ihnen diese Frage zu beantworten, so weiss ich, dass dieser Lärm von der Kirche da drüben kommt», sagt die Maus. Sie steht gleich neben Sigismund.

Auch die Maus hält sich die Ohren zu, bis der Lärm aufhört.
Sigismund wird es angst und bange, als er die Maus neben sich sieht, denn auch sie mag Würmer zum Fressen gerne.
Sigismund hat Glück, denn die Maus hat keinen Hunger.
Sigismund bedankt sich bei der Maus und eilt zur Kirche hin. Dank seiner Hügel-Schwünge kommt er gut vorwärts.
Doch es dauert nicht lange und der ohrenbetäubende Lärm meldet sich zurück.

«Was ist das für ein ohrenbetäubender Lärm?», ruft der Regenwurm.

«Dieser Lärm kommt von der Glocke im Turm, dort oben», antwortet die Ringtaube, die neben dem Wurm gelandet ist.
Das Herz rutscht dem Wurm in die Hose, denn Tauben lieben Würmer. Doch Sigismund hat Glück, denn die Taube hat schon reichlich gefuttert, sodass nichts mehr in ihren Bauch passt.
Sigismund bedankt sich und nimmt sich vor, sich diese Glocke näher anzusehen. Sigismund weiss nämlich nicht, was eine Glocke ist. Er kriecht durch das Grass und die Wiese und steht bald am Turm. Sigismund schaut immer weiter hinauf, bis er zuoberst ein Dach erkennen kann.
«Da muss ich hinauf», denkt sich der Regenwurm und beginnt quer nach oben zu kriechen. Natürlich mit den Wurm-Schwüngen.

Nach einer Weile ist es schon dunkel und Sigismund muss rasten. Dabei zieht er sich seine blau-rot gestreifte Wollmütze an, denn es ist schon kälter. Sigismund schaut nach unten und nach oben und ruft:

«Ja, die Hälfte habe ich geschafft!»

Doch die Freude währt nicht lange, denn der ohrenbetäubende Lärm überrascht den Wurm so sehr, dass er von der Mitte des Turms, vom Wind und von den Blättern der Rotbuche getragen hinunterfällt und von Neuem den Turm hinaufkriechen muss.
Was für ein Ärger!
12 Mal hat es geschlagen. Das war auch für Sigismund zu viel und er konnte sich nicht mehr halten. Zum Glück waren da der Wind und die Blätter, sodass seine Landung auf dem Boden sanft ausfällt.
«Bei so viel Glück muss ich es gleich noch einmal probieren», denkt Sigismund und beginnt den Turm zum zweiten Mal zu besteigen.

In den nächsten stunden steigt der Wurm fleissig hoch und auch der Lärm ist gerade noch erträglich.
Die Stunden schlagen 1, 2, 3, 4, 5, 6 und endlich ist Sigismund mit blau-rot gestreifter Wollmütze am Ziel.
Sigismund schaut staunend nach oben. Seine Wurm-Augen sehen sich satt an der riesigen Glocke und dem in der Mitte hängenden Pendel. Doch die Augen wandern und wandern bis an die eine Stelle.
Sigismunds Blick bleibt an einem Punkt hängen.
«Jetzt ist es aus!», denkt sich Sigismund, denn auf einem Balken neben der Glocke sitzt eine Waldohreule.

Die Eule spreizt ihre Flügel, hebt ab und fliegt zum Regenwurm Sigismund hinunter. Der Wurm hält sich die Augen zu und erwartet jeden Moment, gefressen zu werden.
Doch da täuscht er sich.
«Was hältst du dir die Augen zu, Wurm? Ich vertrage keine Würmer, denn ich bin Vegetarierin und esse nur Beeren, Nüsse, Kräuter und Gräser. Auch am Gemüse oder Obst der Menschen habe ich meine Freude. Also keine Angst, ich fresse dich nicht.»

Langsam öffnet Sigismund seine Augen und kann sein Glück kaum fassen. Der Wurm nimmt seinen ganzen Mut zusammen.

«Ich bin neu in dieser Gegend», sagt er, «und ich war gerade dabei, meine Tunnel für den Winter zu graben, als mich dieser ohrenbetäubende Lärm immer wieder aus der Arbeit riss. Dem wollte ich nachgehen und jetzt habe ich die Quelle des Lärms gefunden.

«Aha», antwortet die Eule. «Ein neugieriger Regenwurm.»
«Wenn du willst, fliege ich dich an einen Ort, an dem die Glocke nicht mehr so laut lärmt, damit du deine Tunnel graben kannst.»

Auf so ein Angebot ist der Sigismund nicht vorbereitet, aber er nimmt dankend an.
Die Waldohreule öffnet ihren Schnabel, packt den Wurm sanft und fliegt mit ihm geradewegs zu seinem neuen Zuhause.

Der Wurm bedankt sich bei der Eule und gräbt sich ein in den Boden. Nach wenigen Minuten ist Sigismund von der Oberfläche verschwunden.

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